Forschungsinkubator: Agile Wissenschaft

Agile Wissenschaft – Zukunft innovativer, interdisziplinärer Digitalisierungsforschung?
Das Team Forschungsinkubator
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Wie reagiert die Wissenschaft auf die Vielfalt und Dynamik des digitalen Wandels? Der CAIS-Forschungsinkubator möchte mit einem Konzept „agiler Wissenschaft“ die Zukunft einer flexibel agierenden, innovativen Digitalisierungsforschung mitgestalten.

Der Themenfindungsprozess entlang des Double Diamond

Während „Agilität“ in Projekten und Organisationen sowie „New Work“-Konzepte für Führung und Zusammenarbeit für viele Unternehmen schon länger wichtige Stichworte sind, bleibt wissenschaftliche Forschung und ihre Organisationsstruktur davon oft unberührt.

Vor dem Hintergrund der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen im Zuge des digitalen Wandels entwickelt der CAIS-Forschungsinkubator ein Konzept für die Adaption und Evaluation agiler Ansätze im wissenschaftlichen Kontext – ein Vorhaben, welches gleichzeitig neue Anforderungen an Hierarchie, Kommunikation und Verantwortungsverteilung stellt. Hier setzt v.a. „New Work“ als Leadership- und Empowerment-Prinzip an.

Langfristig möchte der Forschungsinkubator damit zur (Weiter-)Entwicklung des Forschungsfeldes der Digitalisierungsforschung sowie seiner Methoden der Zusammenarbeit beitragen.

Die Visualisierung des gesamten Themenfindungsprozesses finden Sie in diesem Video.

Agilität

„Agilität ist ein Maß für die Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit eines Systems sowie der Oberbegriff für eine Menge von Methoden, Modellen und Werkzeugen zum Umgang mit Dynamik und Komplexität in Entwicklungsprozessen.“ (Oestereich & Schröder, 2020, S. 6)

„New Work“-Bewegung

Begründet wurde die „New-Work“-Bewegung bereits Anfang der 1980er Jahre durch den US-Amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann. Im Gegensatz zu traditionellen Konzepten von (Lohn-)Arbeit stehen bei „New Work“ vor allem Werte wie Selbständigkeit, (Handlungs-)Freiheit, Sinn und gesellschaftliche Teilhabe im Fokus (Vollmer, 2019).

Was zeichnet agile Ansätze aus?

Aus der Praxis der Software-Entwicklung haben sich unter dem Label des „agilen Arbeitens“ verschiedene Techniken entwickelt, die in vier zentralen Prinzipien zusammengefasst worden sind (agilemanifesto.org, 2001, Abbildung 1). Im Vordergrund stehen dabei Individuen und Interaktionen, die Funktionsfähigkeit von Systemen, Kund:innenorientierung und die permanente Bereitschaft zur Anpassung von Projektzielen und Abläufen, um bestmöglich auf sich wandelnde Rahmenbedingungen reagieren zu können. Letzteres ist insbesondere in modernen, digitalen Arbeitskontexten von erheblicher Bedeutung.

Abbildung 1. Die vier Prinzipien des Agilen Manifestes

Abbildung 1. Die vier Prinzipien des Agilen Manifestes

Durch ein klar strukturiertes, iteratives Vorgehen und Nachsteuern in kurzen Intervallen ergeben sich vielfältige Handlungsspielräume für die Projektarbeit. Potentielle Zielverfehlungen werden als essentielle Bestandteile des kontinuierlichen Nachbesserns in Arbeitsprozesse integriert (Abbildung 2). So unterstützt agiles Arbeiten das Lernen im Prozess und ermöglicht eine lösungsorientierte Fehlerkultur. In dieser ist Scheitern kein persönliches Versagen, sondern ein kollektiver Moment des Lernens. Die Arbeitsgestaltung eröffnet zudem vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten nach Innen und Außen und berücksichtigt die Bedürfnisse und Perspektiven der Adressat:innen von Produkten.

Dies steigert langfristig die Qualität der Projektergebnisse. Organisationsinterne Machthierarchien verlieren an Bedeutung, die Verantwortung wird dynamisch innerhalb der Teams weitergegeben (Empowerment) und aufgeteilt (Selbstführung). Dadurch entstehen neue Räume für einen wertschätzenden Umgang miteinander.

Abbildung 2. Iteratives, inkrementelles Arbeiten in kontinuierlichen Intervallen

Abbildung 2. Iteratives, inkrementelles Arbeiten in kontinuierlichen Intervallen

Wie können agile Arbeitsformate und New-Work-Konzepte Wissenschaft und Forschung verändern?

Übertragen auf den Kontext von Wissenschaft und Forschung bedeutet das einerseits ein Neudenken von Organisations- und Projektmanagementstrukturen. Das kann dazu beitragen, den Austausch in und zwischen interdisziplinären Teams zu verbessern. Die Möglichkeiten für ein flexibles, auf natürliche Hierarchien setzendes Projektmanagement mit einer produktiven Fehlerkultur können sich auch in wissenschaftlichen Forschungsprojekten bewähren und Kreativität und ganzheitliches Arbeiten fördern (siehe dazu auch Laloux, 2017).

Andererseits gerät neben der „Scientific Community“ die Bevölkerung als Adressatin und Empfängerin von Produkten in Gestalt von Forschungsergebnissen in den Blick. Es geht dabei nicht nur um ihre Bedürfnisse hinsichtlich einer verständlichen Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern auch um ihre Rolle als Impulsgeberin und Gestalterin wissenschaftlicher Forschung (z.B. aktiv Mitwirkende in Citizen Science-Projekten).

Wie werden agile Ansätze am CAIS umgesetzt?

Einerseits orientiert sich das CAIS intern an „Agilität“ und „New Work“ als Prinzip der systemischen Organisationsentwicklung, welches sich durch Menschenzentrierung, Gestaltungsorientierung sowie eine klare und flexible interdisziplinäre Struktur auszeichnet. Im Zuge dessen wurde auch ein Raumkonzept erarbeitet, das insbesondere auf Offenheit und Kooperation ausgerichtet ist.

Im Rahmen des CAIS-Forschungsinkubators bedeutet agiles Arbeiten zudem die Auswahl von Arbeitstechniken und -werkzeugen aus dem modernen Management von IT-, Consulting- und Design-Projekten und deren Übertragung auf den interdisziplinären Wissenschaftskontext (Abbildung 3). So erfahren beispielsweise ausgewählte Elemente im Themenfindungsprozess der CAIS-Forschungsprogramme direkte Anlehnung an das Prinzip des Double Diamond.

Darüber hinaus dient ein kontinuierliches Monitoring gesellschaftlicher Entwicklungen der Identifikation relevanter Themen, Probleme und Fragestellungen, die als Grundlage in die Gestaltung der CAIS-Forschungsprogramme einfließen. Über Formate wie Reallabore oder Citizen-Science-Projekte werden langfristig Bürger:innen in Forschungsprozesse eingebunden. Der Auftrag der Wissenschaft erweitert sich so, neben Forschung und Lehre, um eine so genannte „Third Mission“, die auf Austausch und Kooperation mit der Gesellschaft abzielt.

Abbildung 3. Facetten des Forschungsinkubators

Abbildung 3. Facetten des Forschungsinkubators

Citizen Science

„Citizen Science umfasst die aktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses in den Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften. Die Beteiligung reicht von der Generierung von Fragestellungen, der Entwicklung eines Forschungsprojekts über Datenerhebung und wissenschaftliche Auswertung bis hin zur Kommunikation der Forschungsergebnisse.“ (Bürger schaffen Wissen 2020)

Literatur

agilemanifesto.org (2001). Manifesto for Agile Software Development. Abgerufen am 28. Januar 2020 von https://agilemanifesto.org/

Laloux, F. (2017). Reinventing Organizations. Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Verlag Vahlen.

Oestereich, B. & Schröder, C. (2020). Agile Organisationsentwicklung. Handbuch zum Aufbau anpassungsfähiger Organisationen. München: Verlag Vahlen.

Vollmer, J. (2019). New-Work-Urvater Frithjof Bergmann: Der alte Mann und das Mehr. t3n magazin. Abgerufen am 28. Januar 2020 von https://t3n.de/magazin/new-work-urvater-frithjof-bergmann-alte-mann-mehr-247621/